Chancen
von Paartherapie oder -beratung oder: die Liebe und ihre
Widersacher
Im
Alltag und im Lauf des individuellen und gemeinsamen
Lebens jeden Paares bleibt es nicht aus, dass Enttäuschungen,
Desillusionierungen und Konflikte die Liebe überschatten und das
harmonische Miteinander mehr oder weniger stark
beeinträchtigen.
Gerade
in Krisensituationen kann es geschehen, dass man sich vom
Partner unverstanden und nicht gesehen fühlt und die Versuche,
sich zu verständigen, scheitern. Wechselseitige Verletzungen
führen zu Rückzug und es taucht ein Gefühl von Rat- und
Hilflosigkeit auf oder Wut angesichts des Trennenden, das
zwischen den Partnern steht.
„...er
liebte sie und sie liebte ihn und doch berührten sie
einander nicht. Die Menschen sind so furchtbar weit
voneinander; und die, welche einander lieb haben, sind oft
am weitesten.
Sie werfen sich all das Ihrige zu und fangen es nicht, und
es bleibt zwischen ihnen liegen irgendwo und türmt sich auf
und hindert sie endlich noch, einander zu sehen und
aufeinander zuzugehen.“
(aus:
Rainer Maria Rilke, Der Totengräber)
Was
bringt Paartherapie?
Paartherapie
oder –beratung eröffnet Chancen, angesichts von Problemen und
Krisen in einer Paarbeziehung nicht zu resignieren oder in
wechselseitigen Schuldzuweisungen oder Schuldgefühlen zu
verharren, sondern die Probleme und Krisen "als Vorboten
anstehender Entwicklung" (R. Welter-Enderlin) zu begreifen.
Mit
der Unterstützung eines Dritten, der nicht emotional beteiligt
ist und somit einen neutralen Blick auf das Geschehen in der
Paarbeziehung werfen kann, geht es darum, Möglichkeiten zu
finden, Verletzungen, Enttäuschungen, Vorwürfe und andere
destruktive Kräfte in Zuversicht und Lebensfreude zu wandeln und
als Chance für die Zukunft der Partnerschaft zu nutzen.
Natürlich
gelingt das nicht immer. Manchmal geht es auch darum, eine
Lösung im Sinne einer Loslösung zu finden, den Mut für eine
vielleicht längst fällige Entscheidung zu sammeln. Hier hilft
eine Trennungsbegleitung, damit der Prozess der Trennung alle
notwendigen Schritte berücksichtigt (z.B. wenn Kinder da sind)
und nicht durch erneute Verletzungen erschwert wird.
Ich
halte Liebesbeziehungen für das beste "Trainingslager" für die
Auseinandersetzung mit sich selbst und für die eigene
Weiterentwicklung. Da wir lebensgeschichtlich zu Individuen
werden durch die Bindung zu unseren primären Bezugspersonen
(über das Du entwickelt sich das Ich), ist auch später die
Auseinandersetzung in kaum einem anderen Bereich unseres Lebens
so intensiv wie mit dem liebenden und intimen Gegenüber in einer
Partnerschaft. Hier werden wir gespiegelt, finden wir Annahme
und Anerkennung und werden aber auch mit unseren "blinden
Flecken" konfrontiert.
Hier
sind wir zudem gefordert, immer wieder neu unsere Balance zu
finden zwischen Autonomie und Bezogenheit.
Meines
Erachtens ist Liebe und Partnerschaft etwas sehr Kostbares. Wir
würdigen dieses Geschenk, wenn wir uns Zeit nehmen und uns dafür
engagieren, die Lebendigkeit und Freude darin zu erhalten.
Wann
ist Paartherapie oder –beratung sinnvoll?
Paartherapie
kann dabei unterstützen, neue Perspektiven zu finden, wenn
- Paare sich mit ihrer Partnerschaft in einer Sackgasse fühlen,
- die Freude an- und miteinander zu ersticken droht angesichts
scheinbar unlösbarer Konflikte,
- Abwehr, Geringschätzung, Abwertung oder emotionale Abschottung
eines Partners oder wechselseitig die Partnerschaft belasten,
- die Kommunikation als unbefriedigend oder mangelhaft empfunden
wird ("Er/Sie versteht mich nicht!"),
- gegenseitiges Verstehen und Unterstützen schwierig wird,
insbesondere in Krisen, wie sie z.B. bei kritischen Übergängen
im individuellen und im gemeinsamen Lebenszyklus vorkommen
(Kinder kommen, Kinder verlassen das Haus, Veränderung der Wohn-
oder Arbeitssituation, Krankheit, Tod eines Angehörigen u.a.)
- es Unzufriedenheit mit der Sexualität gibt,
- die Zukunft der Beziehung gefährdet, in Frage gestellt
oder unsicher erscheint z.B. durch Untreue oder Affären.
Auch
und gerade wenn beide Partner unterschiedliche Vorstellungen
über den Zustand und die Zukunft der Beziehung haben, kann es
sehr hilfreich sein, im Gespräch zu dritt die Chancen und
eventuell auch Grenzen der aktuellen Situation auszuloten.
Wie
geht systemische Paartherapie oder –beratung vor?
Das,
was Paare bewegt, spielt sich auf dem Hintergrund der
Grundorientierungen jedes einzelnen Partners ab, die er, bzw.
sie, im Laufe der eigenen Lebensgeschichte erworben hat. Im
Zusammenspiel ergibt das einen "Paartanz", nicht nur auf der
Ebene der Kommunikation und Interaktion, sondern auch auf der
Ebene der Lebensthemen jedes Einzelnen.
Der
systemische Ansatz sucht nach der Dynamik und den Mustern,
welche als "Melodie" den "Tanz" des Paares und der einzelnen
Partner steuern. Gelingt es, diese bewusst zu machen, eröffnen
sich für beide Partner Handlungsspielräume und lassen sich
andere "Melodien" und "Tanzschritte" finden.
Aus
unterschiedlichen Perspektiven angeschaut kann dieselbe
Situation ganz unterschiedlich bewertet werden. Insofern kann es
sinnvoll sein, die Probleme in den Kontext von biographischen
Motiven zu stellen. Hieraus ergibt sich eine neue Wahrnehmung,
die neue Möglichkeiten und Ideen für Lösungen eröffnet.
Die
Aufgabe des Therapeuten ist es hierbei, Ressourcen aufzuzeigen
und Prozesse anzustoßen, die in seiner Abwesenheit weitergehen,
in denen alte Verhaltensweisen und Lösungen überwunden werden
können.
Das,
was am Anfang der Beziehung das Faszinierende war am Anderen,
ist später oft Quelle von Konflikten: z.B. verliebt sich eine
Frau in einen Mann, weil seine Ruhe sie fasziniert. Später in
der Partnerschaft macht sie diese Ruhe rasend. Er war von ihrer
quirligen Lebendigkeit fasziniert, jetzt ist er oft davon
genervt. In der Paartherapie wird das Paar darin unterstützt,
die Unterschiede wieder als wertvoll wahrnehmen zu können, sich
der Inspiration für die eigene Entwicklung, die darin liegt,
öffnen zu können und sich die wechselseitigen Wünsche und
Bedürfnisse bewusst zu machen und zu artikulieren.
Manchmal
kann es sinnvoll sein, an einer bestimmten Stelle des Prozesses
Einzelsitzungen mit jedem der Partner allein durchzuführen, um
dann wieder gemeinsam weiter zu gehen.
Was
trägt zum Gelingen einer Partnerschaft bei?
Wichtige
Zutaten für das Gelingen einer Paarbeziehung insbesondere in der
heutigen Zeit des schnellen Wandels sind:
- Gemeinsamkeiten bewahren und entwickeln
- Unterschiede anerkennen und diese immer wieder
überbrücken
- sich selbst wertschätzen und die eigenen Gefühle ernst
nehmen und ausdrücken
- Kritik und Anerkennung in einer guten Balance halten
(1:5!)
- Konflikte und Krisen wertschätzen als Entwicklungschance
für den Einzelnen und für die Partnerschaft
- offen sein für die heute existierende Vielfalt von
Paarmodellen.
Eine
erfüllte Sexualität ist eine wichtige Ressource für eine
Paarbeziehung. Sie erhöht die Chancen auf Freude, Nähe und
liebevolle Verbindung. Umgekehrt ist sexuelle Unzufriedenheit
ein Nährboden für allgemeine Unzufriedenheit, Frust und Angst.
Allerdings ist die Zuwendung auf nichtsexueller Ebene, die
gegenseitige Fürsorge, Toleranz und Vertrauen beinhaltet,
genauso wichtig für eine dauerhafte Liebesbeziehung. Eine
stabile Beziehung zeichnet sich auch dadurch aus, dass die
positiven Erlebnisse die negativen überwiegen und beide Partner
gleichviel geben und voneinander erhalten.
„...
das größte Geschenk, das ich von jemanden empfangen kann, ist:
gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte
Geschenk, das ich geben kann ist: den anderen sehen, hören,
verstehen und berühren. Wenn dies geschieht, spüre ich, dass
Kontakt besteht.“ (Virginia Satir)
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